4. Okt. 2024 Lesezeit: 4 Min.

EuGH stärkt Datenschutz: Meta verliert im Streit um Datenverarbeitung

EuGH stärkt Datenschutz: Meta verliert im Streit um Datenverarbeitung
Foto: Maximilian Schrems ©David Bohmann

In der heutigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Fall C-446/21 (Schrems gegen Meta) wurde die Klage des Datenschutzaktivisten Maximilian Schrems gegen den Facebook-Mutterkonzern Meta weitgehend unterstützt. Der EuGH stellte fest, dass Meta gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt, insbesondere durch die unzulässige Verarbeitung personenbezogener Daten für Werbezwecke.

Beschränkte Nutzung von Daten für Werbung

Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, inwieweit Meta personenbezogene Daten für zielgerichtete Werbung nutzen darf. Der EuGH entschied, dass Metas Praxis, große Mengen an Nutzerdaten ohne zeitliche Beschränkung zu speichern und zu Werbezwecken zu verwenden, gegen den Grundsatz der Datenminimierung nach Artikel 5(1)(c) DSGVO verstößt. Dieser Grundsatz besagt, dass Daten nur in dem Umfang verarbeitet werden dürfen, der unbedingt erforderlich ist. Demnach dürfen personenbezogene Daten nicht unbegrenzt gespeichert und verwendet werden – auch nicht, wenn die Nutzer dem zugestimmt haben.

Katharina Raabe-Stuppnig, die Anwältin von Max Schrems, erklärte dazu: „Meta hat über viele Jahre hinweg einen enormen Datenpool angesammelt. Dieses Urteil bedeutet, dass das Unternehmen nur noch einen kleinen Teil dieser Daten für Werbung nutzen darf, selbst wenn eine Einwilligung der Nutzer vorliegt. Dies hat weitreichende Folgen für die gesamte Online-Werbeindustrie, die oft keine klaren Regeln zur Datenminimierung einhält.“

Verarbeitung sensibler Daten

Ein weiterer zentraler Punkt des Urteils betraf die Verarbeitung sensibler Daten, insbesondere Daten zur sexuellen Orientierung. Der EuGH stellte klar, dass sensible Daten, wie in Artikel 9 DSGVO geregelt, nur in strikten Ausnahmefällen verarbeitet werden dürfen. Schrems argumentierte, dass seine öffentlichen Äußerungen über seine sexuelle Orientierung nicht als automatische Zustimmung zur Nutzung dieser Daten für andere Zwecke, wie personalisierte Werbung, angesehen werden dürfen. Das Gericht stimmte ihm zu und stellte fest, dass die bloße öffentliche Bekanntgabe sensibler Daten diese nicht für umfassende Verarbeitung freigibt.

Schrems’ Anwältin betonte die Bedeutung des Urteils: „Dieses Urteil bewahrt das Grundrecht auf Datenschutz und schützt die Meinungsfreiheit. Es wäre fatal gewesen, wenn eine einmalige öffentliche Äußerung den kompletten Datenschutz aufheben würde.“

Schrems’ bisherige Erfolge im Kampf für den Datenschutz

Maximilian Schrems ist in der Datenschutzszene kein Unbekannter. Der österreichische Jurist und Aktivist kämpft seit über einem Jahrzehnt gegen die unrechtmäßige Nutzung und den Missbrauch von Daten durch große Technologieunternehmen, insbesondere durch Meta (ehemals Facebook). Bereits zwei Mal erzielte er spektakuläre Erfolge vor dem EuGH, die den gesamten transatlantischen Datenverkehr zwischen den USA und der EU veränderten.

  1. Safe Harbor (2015): Schrems gelang es, den Safe-Harbor-Abkommen zwischen der EU und den USA zu Fall zu bringen. Dieses Abkommen regelte den Datenaustausch zwischen den beiden Regionen. Schrems argumentierte, dass die US-Gesetze zum Datenschutz nicht den europäischen Standards entsprächen, da US-Behörden zu weitreichenden Zugriff auf die Daten von EU-Bürgerhätten. Der EuGH stimmte ihm zu und erklärte Safe Harbor für ungültig.
  2. Privacy Shield (2020): Nachdem Safe Harbor durch das sogenannte Privacy Shield ersetzt wurde, setzte Schrems erneut an. Auch dieses Abkommen hielt er für unvereinbar mit den europäischen Datenschutzstandards. In einem weiteren bahnbrechenden Urteil erklärte der EuGH das Privacy Shield für unwirksam und stellte damit fest, dass der Schutz von Daten europäischer Bürgerbei der Übermittlung in die USA nicht ausreichend gewährleistet ist.

Diese beiden Entscheidungen, die oft als „Schrems I“ und „Schrems II“ bezeichnet werden, haben den transatlantischen Datenverkehr grundlegend verändert und zu einem verstärkten Fokus auf den Datenschutz geführt. Schrems hat mit seinen Klagen bewiesen, dass Einzelpersonen einen wesentlichen Einfluss auf die Auslegung und Durchsetzung der DSGVO haben können.

Bedeutung des aktuellen Urteils

Das heutige Urteil stellt einen weiteren Erfolg in der Karriere von Schrems dar und könnte erneut weitreichende Folgen für die Technologiebranche haben. Es zwingt Meta und andere Unternehmen, ihre Datennutzung und -verarbeitung im Zusammenhang mit Werbung deutlich einzuschränken. Laut der DSGVO dürfen Daten nicht unbegrenzt gespeichert und genutzt werden, und die Verarbeitung sensibler Daten muss strengen Regeln folgen.

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für die gesamte Digitalwirtschaft, da viele Unternehmen ähnliche Praktiken wie Meta anwenden. Der Digitalverband Bitkom warnte bereits vor erheblichen Auswirkungen auf die Werbewirtschaft. Laut Schrems' Organisation noyb („None of Your Business“) könnten künftig umfangreiche Löschungen von Online-Tracking-Daten erforderlich sein.

Neben den Bußgeldern drohen Meta nun auch Sammelklagen, da Nutzer

Schadensersatz verlangen können, wenn gegen die DSGVO verstoßen wurde. Laut Datenschutzexperten wie Daniel Rücker von der Kanzlei Noerr formiert sich bereits eine „Klage-Industrie“, ähnlich wie beim Diesel-Skandal, die Meta teuer zu stehen kommen könnte.

Ein Urteil mit negativen Konsequenzen für die europäische Werbewirtschaft

Obwohl das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Fall Schrems gegen Meta den Datenschutz in Europa weiter stärkt, könnte es gravierende negative Folgen für die europäische Digitalwirtschaft haben. Während der Schutz der Privatsphäre ein hohes Gut ist, hat die strenge Auslegung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass sie das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Tech- und Werbebranche erheblich bremst.

Die radikale Einschränkung der Nutzung personenbezogener Daten für zielgerichtete Werbung führt dazu, dass europäische Unternehmen im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten. Die USA und andere Länder, die weniger restriktive Datenschutzgesetze haben, können weiterhin große Mengen an Daten für Werbezwecke verwenden und dadurch ihre Geschäftsmodelle effektiver und profitabler gestalten. Derartige Urteile zementieren die Benachteiligung der europäischen Werbewirtschaft, die bereits heute mit einem massiven Wettbewerbsnachteil kämpft.

Indem Unternehmen wie Meta gezwungen werden, ihre Werbestrategien anzupassen und Daten in einem viel kleineren Rahmen zu verwenden, wird das Potenzial für gezielte und effektive Werbung stark eingeschränkt. Das bedeutet nicht nur geringere Einnahmen für die betroffenen Unternehmen, sondern könnte auch zu einem Rückgang von Innovationen im Bereich der digitalen Werbung führen. Viele Akteure der Branche könnten gezwungen sein, auf andere Märkte auszuweichen oder neue, weniger datenbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln, was jedoch mit erheblichen Kosten verbunden ist.

Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass der Datenschutz in Europa über das hinausgeht, was für die Wirtschaft sinnvoll und tragbar ist. Während andere Länder in der digitalen Wirtschaft aufholen oder sogar führend sind, läuft Europa Gefahr, durch übermäßige Regulierungen den Anschluss zu verlieren. Der Datenschutz in Europa hat bedauerlicherweise einen Punkt erreicht, an dem er nicht nur die Privatsphäre schützt, sondern die Entwicklung wichtiger Industrien hemmt und Europa im globalen Wettbewerb zurückwirft.

Die Werbewirtschaft, ein entscheidender Bestandteil der digitalen Ökosysteme, wird durch solche Urteile massiv geschwächt – mit langfristigen Konsequenzen für Arbeitsplätze, Innovation und Wachstum.

Quelle: noyb.eu

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